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Hypertrophe Cardiomyopathie (HCM)

Eine Hypertrophie ist eine Größenzunahme eines Organs oder Gewebes nur durch Größenzunahme der Zellen ohne vermehrte Zellzahl. Grundsätzlich unterscheidet man eine konzentrische Hypertrophie bei der die Kammer kleiner wird oder zumindest gleich groß bleibt von einer exzentrischen, bei der der Kammerdurchmesser zunimmt. Eine Hypertrophie des Herzens kann unterschiedliche Ursachen haben: Jede Belastung des Herzens kann zu einer Hypertrophie führen, wobei Volumenbelastungen (z.B. Herzscheidewanddefekte) eher zu einer exzentrischen Hypertrophie führen, Druckbelastungen (z.B. Aortenstenose oder Bluthochdruck) können beides verursachen. Beim Hund sind dies die Hauptursachen einer Hypertrophie. Bei einer echten hypertrophen Kardiomyopathie liegt aber weder eine Volumen- noch Druckbelastung vor, sondern eine primäre Erkrankung des Herzmuskels. Dies Erkrankung ist beim Hund sehr selten. Bei der Katze ist es die am häufigsten vorkommende Herzerkrankung. Bei den meisten Katzen liegt eine erbliche Variante der Erkrankung vor. Es sind schon verschiedene Gene nachgewiesen worden, die die HCM verursachen können. Vor allem aber im Alter können auch sekundäre Hypertrophien auftreten, die z.B. durch eine Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion), durch Bluthochdruck (z.B. Infolge von Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus oder Hyperaldosteronismus) oder durch Akromegalie (Erhöhung des Wachstumshormon) verursacht werden . Die Verdickung des Herzmuskels kann nur an einer oder mehreren Stellen (fokal), symmetrisch oder asymmetrisch verteilt vorkommen (z.B. nur in der Hinterwand oder nur in der Herzscheidewand oder nur die Papillarmuskel, nur einer oder beide Papillarmuskel) oder den kompletten linken Ventrikel betreffen. Es gibt eine obstruktive Variante: dabei kommt es zur Einengung der linken Ausflussbahn in die Aorta. Durch die veränderte Blutströmung mit Sog (sogenannter Venturi-Effekt) im Ausflusstrakt und/oder durch die veränderte Geometrie des linken Ventrikels mit Verlagerung der Papillarmuskel kommt es zum sogenannten SAM-Phänomen. Dabei wird das septale Mitralsegel in der Systole (Pumpphase) in den linken Ausflusstrakt gezogen und führt zu einer begleitenden Mitralinsuffizienz (undichte Klappe zwischen linker Hauptkammer und linkem Vorhof). Bei der nicht obstruktiven Variante bleibt die Ausstrombahn unbeeinflusst. Bei der HCM kommt es durch die Verdickung der Wände vor allem zu einer Erschlaffungsstörung (Relaxationsstörung / diastolische Funktionsstörung). Das Blut kann aus dem Vorhof nicht richtig in die linke Kammer einströmen, dadurch wird das sogenannte RAAS (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) aktiviert. Dies führt zur Flüssigkeitsretention (Flüssigkeit wird im Körper zurückgehalten). Später kommt zur Erhöhung der Herzfrequenz. Dadurch verkürzt sich v.a. die Diastole (Erschlaffungsphase des Herzens) und dadurch zu einer weiteren schlechteren Füllung des Herzens und zu einer verminderten Blutversorgung der Herzmuskulatur (Myokard), diese wird im Gegensatz zum Rest des Körpers in der Diastole durchblutet. Die verschlechtere Durchblutung führt zu Myokardschäden mit nachfolgenden Fibrosen. Dadurch wird die Relaxationsstörung verstärkt und es kommt auch zum Pumpstörungen (systolischer Funktionsstörung). Die Folgen sind Vorhofvergrößerungen mit nachfolgenden Stauungen in Lunge oder Brustkorb: Lungenödem (Flüssigkeit in das Lungengewebe) oder/und Thoraxerguss (Flüssigkeit um die Lunge herum). Durch den vergrößerten Vorhof kann es auch zur Thrombenbildung (Blutgerinnselbildung) kommen, die irgendwann abgeschwemmt werden und zur Embolie führen können. Diese Thromben setzen sich meistens in der an der Aufzweigung der Hauptschlagader in die Femoralarterien (Gefäße für die Hinterbeine) fest (Aortenthrombose). Sie können aber auch in Gehirn, Nieren oder Vordergliedmaßen abgeschwemmt werden. Diese Thrombosen kommen auch bei Tieren vor, bei denen vorher kein Herzproblem bekannt war.

Symptome
Die Symptome können sehr stark variieren. Leichte bis mittelschwere können z.T. lebenslang keine Probleme bereiten. Viele Katzen zeigen lange Zeit keine Symptome und Verschlechtern sich schlagartig. Manche Katzen zeigen vermehrtes Ruhebedürfnis, Hecheln nach dem Spielen oder eine erhöhte Herzfrequenz als Frühzeichen. Alleine eine Inappetenz kann ein Symptom sein. Andere zeigen eine sich meist schnell entwickelnde Dyspnoe (Atemnot). Einzelne Katzen erleiden einen plötzlichen Herztod ohne vorher auffällig zu werden. Bei Thrombosen hängt es davon ab, wohin die Thromben abgeschwemmt werden. Bei der Aortenthrombose sind die plötzlich in der Hinterhand gelähmt und schreien vor Schmerzen. Bei Freigängern werden die Tiere häufig als Unfalltiere angekündigt, da die Lähmung und das Schreien von den Besitzern häufig als Unfall interpretiert werden.

Diagnostik
Die Auskultation kann einige Symptome zeigen: Herzgeräusch, Galopprhythmus (zusätzlicher Herzton), Tachykardie (schneller Herzschlag), Arrhythmie (unregelmäßiger Herzschlag). Aber viele Katzen sind auskultatorisch unauffällig.
Das EKG ist häufig unspezifisch.
Im Röntgen können Stauungsanzeichen erkennbar sein, oder auch Veränderungen der Herzsilhouette: z.B. das sogenannte Valentine shape in der v/d Aufnahme (auf dem Rücken liegend). Dabei sieht das Herz durch vergrößerte Vorhöfe herzförmig aus (ein normales Herz sieht nie so aus!). Allerdings kann auch ein normales Röntgenbild bei einer HCM vorliegen, und umgekehrt gerade bei alten Katzen sieht die Herzform häufig verändert aus, ohne dass im Ultraschall eine Veränderung feststellbar ist. Lungenödeme bei der Katze sind im Gegensatz zum Hund i.d.R. diffus über die Lunge verteilt. Auch kommen bei der Katze im Gegensatz zum Hund Thoraxergüsse bei reinen Linksherzproblemen vor. Die radiologischen Veränderungen sind aber nicht dazu geeignet die Kardiomyopathienformen voneinander zu unterscheiden.

Röntgenbild: Katze mit HCM, leichtem Lungenödem und leichtem Thoraxerguss

Eine Blutdruckmessung sollte mit durchgeführt werden, um eine Hypertonie (Bluthochdruck) erkennen oder ausschließen zu können.
Bei älteren Katzen oder solchen mit Hinweise auf eine Erkrankung, die zu einer sekundären Hypertrophie führen, sollten entsprechende Blut- (z.B. Nierenwerte, T4, Blutzucker) und Urinuntersuchungen (spez. Gewicht, Stick, Protein/Crea-Quotient) durchgeführt werden. Bei einer Blutuntersuchung können Troponin I und Nt-proBNP Hinweise auf das Vorliegen einer Herzerkrankung (nicht nur HCM) geben.
Die Echokardiographie (Herzultraschall) ist das wichtigste Diagnostikum. Im sogenannten 2-D Bild (zweidimensionales Bild) können die Herzwände, die Kammern, die Klappen und auch die Vorhöfe dargestellt werden. Man kann einen komplett verdickten Herzmuskel ebenso wie lokale Veränderungen sehen und vermessen.

Video: Herz einer gesunden Katze
Video: Herz einer Katze mit HCM

In fortgeschrittenen Stadien und sehr großem linkem Vorhof kann man immer wieder einen spontanen Echokontrast (Smoke-Effekt) im linken Vorhof sehen, der als Zeichen für eine erhöhte Thrombosegefahr gedeutet wird.

Video: Katze mit Smoke-Effekt im linken Vorhof

Perikardergüsse (Herzbeutelergüsse) und Thoraxergüsse können ebenfalls dargestellt werden. Weitere Messungen werden im M-Mode (Motion-Mode = Schnitte durch das Herz, die auf einer Zeitachse dargestellt werden) gemacht. Mit der Dopplerechokardiographie werden Blutströmungen dargestellt, anhand derer z.B. die oben genannte linksventrikuläre Ausflusstraktobstruktion und die Mitralinsuffizienz dargestellt werden können.

Video: Katze mit obstruktiver HCM

Ebenso können Hinweise auf das Ausmaß der diastolischen Funktionsstörung erhalten werden. Mit dem Tissue-Doppler können weitere Beurteilungen der Herzmuskelfunktion gemacht werden.
Es gibt auch schon Gentest’s auf HCM. Diese sind allerdings nur bedingt aussagekräftig und können die Ultraschalluntersuchung nicht ersetzen. Für Maine Coon und deren Mischlinge sind derzeit die Mutationen A31P- und A74T-Mutation im MYBPC3-Gen nachgewiesen worden. Allerdings gab es in Untersuchungen Katzen mit HCM ohne diese Mutationen, was darauf hinweist, dass es noch andere Gene oder Ursachen für eine HCM gibt . Ebenfalls gab es Katzen mit diesen Mutationen, die auch im Alter bei der Herzultraschalluntersuchung keinen Hinweis auf eine HCM hatten. Dies weist darauf hin, dass diese Gene keine 100%ige Penetranz aufweisen. Für Ragdolls wurde die R820W-Mutation im MYBPC3-Gen nachgewiesen.

Vorkommen
Die HCM kommt bei vielen Rassen vor. Manche Rassen wie z.B. Maine Coon, Britisch Kurzhaar, Perser, Ragdoll und Rex scheinen häufiger betroffen zu sein. In der Praxis ist die „normale“ EKH (Europäisch Kurzhaar) die häufigste Rasse, was an ihrem hohen Anteil an der Gesamtkatzenpopulation liegt. Aufgrund der Vererbung sollte man bedenken, dass diese familiär gehäuft auftritt. Damit haben Geschwistertiere betroffener Katzen ein höheres Risiko ebenfalls Träger der Erkrankung zu sein.

Therapie
Eine leichte Hypertrophie ohne Stauungen oder Arrhythmie wir nicht therapiert sondern nur kontrolliert. In anderen Fällen richtet sich die Therapie nach den erhobenen Befunden. Es kommen je nach Patient verschiedene Medikamente zum Einsatz: antithrombotische-Medikamente, Diuretika, ACE-Hemmer, Beta-Blocker, Calcium-Antagonisten, in späten Stadien evtl. auch positiv inotrope (herzstärkende) Medikamente. Bei akuter Dekompensation ist v.a. eine Diurese (Entwässerung) und Sauerstoffzufuhr zur Verbesserung der Sauerstoffsättigung im Blut wichtig. Bei Thoraxerguss (wenn die Katze dabei nicht zu gestresst ist) kann man diesen mittels Punktion mit einer Butterfly abziehen.

Prognose
Die Prognose ist abhängig von Rasse und vom Stadium der Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnose und des Therapiebeginns. Bestimmte Rassen wie die Maine Coon zeigen häufiger ein plötzlichen Herztod, einen Erkrankungsbeginn in frühen Jahren und einen schnelleren Verlauf, andere Rassen wie die Perser zeigen seltener einen plötzlichen Herztod und die Erkrankung tritt häufig später auf und verläuft langsamer. Es gibt Tiere die trotz einer HCM (i.d.R. eher bei einer milden HCM) auch ohne Therapie eine normale Lebenserwartung haben können und andere versterben sehr schnell. Wichtig ist eine regelmäßige Herzultraschallkontrolle, um beim Auftreten therapierelevanter Veränderungen frühzeitig mit einer Therapie beginnen zu können.

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